Worauf muss ein geschiedener Elternteil achten, wenn er vorhat, mit seinem Kind zu verreisen? Muss ein Elternteil, wenn dieser nicht das alleinige Sorgerecht hat, den anderen Elternteil oder das Gericht fragen, ob man mit dem Kind auf Urlaub fahren darf? Was kann der andere Elternteil unternehmen, wenn das Kindeswohl durch die Reise gefährdet wäre oder das Kind gegen den Willen dieses Elternteils verreist?

Diese Fragen gehören zum Thema des Aufenthaltsbestimmungsrechts und damit zum Obsorgerecht (bald: „elterliche Verantwortung“), geregelt in den §§ 158 ff bzw §§ 177 ff ABGB. Zu differenzieren ist in erster Linie, ob alleinige oder gemeinsame Obsorge der Eltern besteht und bei welchem Elternteil das Kind hauptsächlich betreut wird. Aber auch Alter und Reife des Kindes spielen bei der Beurteilung eine Rolle. Jede Entscheidung der Eltern und des Gerichts hat sich am Kindeswohl zu orientieren.1

Alleinige Obsorge eines Elternteils

Hat ein Elternteil die alleinige Obsorge, so steht diesem grundsätzlich auch die Bestimmung des Aufenthalts des Kindes frei. Im Regelfall lebt das Kind bei diesem Elternteil (Domizilelternteil) und der andere Elternteil hat lediglich ein Kontaktrecht. 

Es soll aber beiden Elternteilen ermöglicht werden, mit dem Kind auf Urlaub zu fahren. Möchte der nicht obsorgeberechtigte Elternteil (also der Kontaktberechtigte) mit dem Kind auf Urlaub fahren, so ist die Zustimmung des Obsorgeberechtigten notwendig, wenn die Entscheidung über alltägliche Entscheidungen während des Kontaktes hinausgeht. Damit wäre bspw die Erlaubnis bei einem Freund des Kindes zu übernachten gemeint.2 

Der Obsorgeberechtigte darf die Zustimmung aber nur verweigern, wenn berechtigte Gründe dagegen sprechen; wenn bspw durch die Wahl des Urlaubsorts das Kindeswohl gefährdet werden könnte (Reise in ein Gebiet mit Reisewarnung) oder der Verdacht bestünde, der andere Elternteil plane eine Kindesentführung. Wenn keine solchen Umstände vorliegen, hat der obsorgeberechtigte Elternteil zuzustimmen und den Pass des Kindes an den Kontaktberechtigten auszuhändigen. Sollte der Obsorgeberechtigte den Urlaub grundlos verweigern, kann auch das Gericht angerufen und die Zustimmung durch das Gericht ersetzt werden bzw die Herausgabe des Passes angeordnet werden.

Plant der obsorgeberechtigte Elternteil mit dem Kind auf Urlaub zu fahren, so sollte er den Kontaktberechtigten darüber informieren, dieser hat aber keine Zustimmung zu erteilen. 

Durch die alleinige Obsorge wird sowohl in das Kontaktrecht und damit das Grundrecht auf Familien- und Privatleben des rein kontaktberechtigten Elternteils als auch des Kindes eingegriffen – der österreichische Verfassungsgerichtshof erkannte die Regelung aber für verfassungskonform.3

Gemeinsame Obsorge

Bei gemeinsamer Obsorge beider Elternteile wird entweder einvernehmlich oder durch das Gericht der hauptsächliche Betreuungsort (Domizil) des Kindes festgelegt.4 Dieser Domizilelternteil ist grundsätzlich auch mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht (iBa den Wohnort) betraut.5 

Jeder Elternteil kann aber mit seinem Kind auch ohne Zustimmung des anderen Elternteils auf Urlaub fahren. Je unbedeutender ein geplanter Urlaub ist (Dauer, Entfernung), desto geringer sind die Informationspflichten gegenüber dem anderen Elternteil, im Umkehrschluss daher: je länger und größer eine geplante Reise ist, desto strenger sind die Informationspflichten und haben die Eltern einvernehmlich zu entscheiden. Sollte keine Einigung erzielt werden können, so ist das Gericht zu betrauen.

Erkennt ein Elternteil berechtigte Gründe (Kindeswohlgefährdung oder Kindesentführungsgefahr), die der Reise entgegenstehen, kann er die Reise untersagen oder das Gericht anrufen, um zB. die Reisepässe des Kindes gerichtlich hinterlegen zu lassen.

Aber Achtung! Wird die Reise durch den anderen Elternteil – obwohl sie dem Kindeswohl entspricht und auch nach den Obsorgeregelungen zulässig ist – verhindert, so kann dieser uU für tatsächlich verursachte Schäden, wie bspw Stornokosten, oder frustrierte Aufwendungen, wie bspw Flugtickets, Eintrittskarten oder Mietwagenkosten, schadenersatzpflichtig werden.6

Gerda Artner
Mag. Irmgard Neumann

 

 

Eine Haftung meiner Kanzlei für die in diesem Artikel bereitgestellten – wenngleich auch bestmöglich recherchierten – Informationen ist ausgeschlossen, da jeder Fall individuell zu begutachten und einzuschätzen ist. Gerne besprechen wir Ihre Angelegenheiten bei einem persönlichen Beratungstermin über Telefon, Zoom oder in unserer Kanzlei.  

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1VglBarth in Klang3 § 146b Rz 8.
2Vgl OGH vom 29.03.2016 8 Ob 146/15a Zak 2016, 151.
3Vgl VfGH 26. 11. 2018, G 143/2018 iFamZ 2019/1.
4Fischer-Czermak in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 162 Rz 1 ff.
5Ein anderer Teil der Lehre versteht den Urlaub aber als schlichte Aufenthaltsbestimmung und ist daher nicht der Domizilelternteil primär berechtigt, sondern beide obsorgeberechtigten Elternteile gleichermaßen. Vgl Kapetanovic, Urlaubsreisen im Familienrecht , EF-Z 2021/5.
  6vgl Kapetanovic, Urlaubsreisen im Familienrecht , EF-Z 2021/5.