Quelle: Salzburger Nachrichten, Onlinebericht vom 21. Mai 2022 – sn | Daniela Müller

Liebling, der Lampenschirm hängt schief! Das tragische Ende des Ehepaars Rose im stets aktuellen Film „Rosenkrieg“ zeigt, wohin eine Traum-Ehe führen kann. Die konkreten Beispiele muss man nur im persönlichen Umfeld suchen.

Seit der großartigen Tragikomödie „Rosenkrieg“ wissen wir, dass die auf ewig geschworene Liebe recht tragisch unter einem riesigen Kronleuchter enden kann. Sie erinnern sich? Das Ehepaar Rose, gespielt von Michael Douglas und Kathleen Turner, liebt sich zu Beginn recht leidenschaftlich und hasst sich am Ende wie die Pest. Dazwischen: Sie zerstört mit ihrem Pick-up seinen Oldtimer, sperrt ihn in die Sauna und dreht den Regler hoch. Er zerstört ihre Schuhe und uriniert auf den Fisch, den sie für ihren Partyservice zubereitet hat. Am Ende landen beide unter dem riesigen Kronleuchter ihres riesigen Hauses, um das sie bis zuletzt erbittert gekämpft haben, und der Kronleuchter stürzt beim Kampf von der Decke. Falls Sie den Film gesehen haben: Mussten Sie lachen oder überlegten Sie kurz, ob Sie vielleicht doch einen Ehevertrag abschließen sollten?

Es ist manchmal wirklich tragisch. Man glaubt, den richtigen Mann oder die richtige Frau gefunden zu haben, wird vom Hormon Oxytocin geflutet, spürt Schmetterlinge im Bauch und empfindet tiefes Vertrauen zur neuen Person im Leben. Durch diese rosarote Brille werden Bedenken über die Absicherung des eigenen Hab und Guts in den Wind geschossen, Jobs aufgegeben, weil sein Gehalt ja reicht, die Beziehungen zu Freunden zurückgefahren. Bis die Schmetterlinge aufhören, mit den Flügeln zu schlagen und der ernüchternde Alltag Platz greift.

Das war, nicht in Hollywood, sondern im Alpenvorland, etwa bei Claudia der Fall. Sie traf Reinhard, dominant, aber das passt, ist man ja selbst. Bald kamen Sohn, Tochter, Probleme. Man war sich nicht einig über die Kindererziehung und musste feststellen, dass die Vorstellung von Haushaltsführung doch in ganz verschiedene Richtungen ging. Wenn Reinhard die Situation dominierte, zog sich Claudia zurück, gab Claudia den Ton vor, wurde Reinhard ungemütlich. Die Tonart wurde immer rauer und vorwurfsvoller, bis Claudia die Notbremse zog: So geht das nicht mehr. Als auch die Therapiestunden bei der Paarberaterin nichts brachten, beschloss man die Trennung. Und dann begann der Rosenkrieg, der jahrelange Feldzug vor Gericht über Besuchszeiten, Sorgerecht und Unterhaltszahlungen. Dahinter: ein gekränkter, weil verlassener Mann und eine enttäuschte Frau, die das Gefühl hatte, in den Ehejahren mehr gegeben als erhalten zu haben. Immer im Schussfeld: Die beiden Kinder, über die der Kampf letztlich ausgetragen wurde.

Die rosa Brille und die Hormone

Was läuft ab, wenn zwei erwachsene Menschen ihre Wut und Enttäuschung über das Wohl der Kinder stellen? Oder beginnen wir von vorn: Wie kann aus einer tiefen Liebe überhaupt doch recht schnell Enttäuschung und Hass werden?

Harald Werneck ist Psychologe und unterrichtet an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien. Er hat über dieses Thema schon mehrere Schriften verfasst. Die rosarote Brille und die Hormone, sagt er, brächten zu Beginn einer Beziehung automatisch mit sich, dass man beim Gegenüber überwiegend die positiven Eigenschaften wahrnehme und überbetone. Auch wenn sich Differenzen ankündigten, würden diese in der Euphorie nur schwer wahrgenommen oder sogar als attraktiv erlebt.

Kämen im Laufe der Beziehung „Stressoren“ dazu, unterschiedliche Ansichten zur Haushaltsführung, Kinder oder eine Pandemie, die gewohnte Rollenaufteilungen auf den Kopf stelle, seien das oft Bruchlinien. Dessen müsse man sich rechtzeitig bewusst werden, sagt Werneck. Seine Empfehlung für eine gute Beziehung ist die 5:1-Formel: Für eine negative Rückmeldung soll es fünf positive geben.

Das ist freilich ein hochgestecktes Ziel. In der Praxis zeigt sich eher das Phänomen, dass Probleme verdrängt werden. Viele Paare gehen dem Konflikt lieber aus dem Weg, weil man an eine gute Lösung ohnehin nicht glaubt – weil man sie ja schon in der Vergangenheit nicht gefunden hat. Dazu kommen individuelle Ansichten. Werneck: „Mich verblüfft immer wieder, wie unterschiedlich zwei Menschen dieselbe Situation erleben, wahrnehmen und einschätzen.“

Das bezieht sich übrigens auch auf Eltern-Kind-Beziehungen: Studien zufolge beschreiben Eltern ihre Beziehung zu den Kindern stets positiver als umgekehrt. Auf Paarebene komme zudem der Machtaspekt ins Spiel, der sich bei der Scheidung gern beim Unterhalt, beim Sorgerecht oder bei der Frage, wer Hund, Auto, Haus erhalten soll, zeigt. Und irgendwann sei der Punkt da, wo kein Verständnis für den anderen mehr vorhanden sei und es nur mehr ums „Heimzahlen“ gehe, sagt Werneck.

Narzissmus ist gerne dabei

Davon kann zum Beispiel Martina ein Lied singen. Seit Jahren fordert sie von ihrem Vater, er solle sein Einkommen offenlegen, damit die Höhe des Unterhalts ordnungsgemäß festgesetzt werden kann. Dieser weigert sich – und bläst nun zum Gegenangriff: Per Anwalt ließ er seiner Tochter ausrichten, dass sie ihre finanziellen Verhältnisse auf den Tisch legen müsse. Dieses Kräfteduell kommt freilich nicht aus dem Nichts. Der Vater – die Tochter beschreibt ihn als Narzissten – wurde vor Jahren von seiner Ex-Frau der Wohnung verwiesen. Seither legt sich der Gekränkte quer, brach auch den Kontakt zur Tochter ab. Kein Wunsch, sie an Wochenenden, an Geburtstagen zu sehen, keine Gratulation, als sie ihr Studium mit Auszeichnung abschloss.

Irmgard Neumann ist Rechtsanwältin und Mediatorin. Sie kennt Fälle wie diese. Kommen Narzissmus, Borderlinesyndrom oder Depressionen ins Spiel – die nicht selten in Anzeichen schon vorhanden sind, sich aber oft erst in einer Trennungssituation zeigen -, wird es schwierig. Menschen mit narzisstischen Zügen oder Borderlinesyndrom neigen eher zu aggressivem Verhalten, depressive Menschen „stellen sich dann tot“, wie Irmgard Neumann es wahrnimmt. Das dreht die Spirale: Jeder versteift sich mehr auf seine Position, Lösungsorientiertheit geht flöten.

„Auch eine narzisstische Zuwendung scheint manchen Parteien in solchen vertrackten Fällen oft besser als gar keine“, sagt die Anwältin – die übrigens nur einen geringen Teil der Scheidungsfälle in ihrer täglichen Praxis als sehr schwierig bezeichnet. Die Mehrheit ihrer scheidungswilligen Paare kann sich außergerichtlich oder vor Gericht einigen, nur bei rund zehn Prozent brauche es ein Urteil. Das Problem in stark belasteten Partnerschaften beschreibt Neumann ähnlich wie Werneck: Irgendwann ist ein Punkt erreicht, ab dem jeder nur mehr die eigenen Interessen sieht. Geht es um die Kinder, sind es oft die Frauen, die nicht mehr anerkennen wollen, dass der Partner sehr wohl ein guter Vater sein kann.

Die Dynamik nimmt dann oft die Richtung, dass der Vater droht, keinen Unterhalt zu leisten, und die Mutter ihm deshalb die Kinder vorenthält. So war es bei unserer nächsten Familie, die Eltern heißen Markus und Claudia. Ihr Kind entstand ungewollt. Gewollt hätte Claudia Markus als Partner schon, aber umgekehrt war die Liebe nur verhalten. Sosehr sie sich um ihn bemühte, es wurde keine Beziehung daraus. Die Lage spitzte sich zu und sie drohte, er dürfe die gemeinsame Tochter nur sehen, wenn er mit ihr, Claudia, wieder eine Beziehung eingehe. Dann begann, was sich niemand wünscht: ein erbitterter Streit vor dem Familiengericht um das Sorgerecht, bei dem auch die Tochter einbezogen und Sachverständigenfragen unterzogen wurden.

Und hier wird oft taktiert, manipuliert und Wahrheiten werden individuell interpretiert. Ist, wie in diesem Fall, die Mutter die Hauptbezugsperson, steht sie oft fester am gerichtlichen Boden als der Vater – auch wenn Gerichte heute sehr bemüht seien, die Väter bei der Obsorge gleichberechtigt einzubeziehen, sagt Rechtsanwältin Neumann.

Seit einer Gesetzesnovelle von 2013 ist die gemeinsame Obsorge der Regelfall. Seither ist festzulegen, wo die Kinder hauptbetreut werden. Und auch hier dreht es sich oft ums Geld: In der Regel erhält Geldunterhalt, wer hauptbetreut. Bei einer etwaigen 50:50-Aufteilung, ähnlichem Einkommen beider Partner und gleichem eingebrachten Vermögen werden Unterhaltspflichten aufgehoben. Doch die 50:50-Aufteilung funktioniere in der Regel nur, wenn sich die Eltern einigermaßen verstünden, weiß Irmgard Neumann.

Die ewige Schuldfrage

Wer ist nun schuld, wenn eine Beziehung auseinandergeht? In Österreich gibt es – im Gegensatz zu Deutschland – die Scheidung nach Verschulden. Doch ist es gerecht, einen Partner, der fremdgeht, auch dann als „schuldig“ zu bezeichnen, wenn sich der andere längst emotional aus einer Beziehung verabschiedet hat? Im deutschen Recht wäre das jedenfalls nicht relevant. „Das Verschuldensprinzip hat Vor- und Nachteile“, sagt Rechtsanwältin Neumann. Nachteile sieht sie in der deutschen Rechtsprechung mitunter, dass Partner zahlen müssten, auch wenn sie an der Trennung keine Schuld hätten. Das österreichische Verschuldensprinzip hingegen sei dort gut, wo es um Unterhalts- und Pensionsansprüche gehe – so könnten vor allem Frauen vor dem Ruin bewahrt werden, die sich um Kinder und Haushalt gekümmert haben und die nur geringe Versicherungszeiten haben.

Der große Nachteil am Verschuldensprinzip ist freilich die Schmutzwäsche, die zu oft gewaschen wird. Aber die Rechtsexpertin weiß: „Wenn gestritten wird, dann über so ziemlich alles“: bei Kinderlosen oder Paaren über Geld, sonst eben über die Kinder und die Unterhaltspflichten.

Wer hätte also die schöne Villa aus dem Film „Rosenkrieg“ bekommen, um die so leidenschaftlich gestritten wurde? Mister Rose oder Mrs. Rose? Oder anders gefragt: Wie hätten sie Vorsorge treffen können, um friedlich auseinandergehen zu können und nicht unter dem Kristallluster zu landen?

Der Notar Stefan Grünberger muss schmunzeln. Das Um und Auf ist für ihn: Die Partner sollten zusehen, dass sie finanziell nicht voneinander abhängig sind. Im Idealfall hat jeder sein eigenes Konto und Geld. Beim Kauf einer Immobilie sollte man genau dokumentieren, wer sich in welchem Ausmaß finanziell einbringt und eingebracht hat. Hier seien auch unangenehme Fragen relevant, betont er: Schenken etwa die Eltern der Tochter einen Baugrund, werden sie und die Tochter ein Interesse haben, dass diese bei einer Scheidung im Haus wohnen bleiben kann – und nicht der „Ex“, vielleicht mit seiner neuen Partnerin.

Genau so müsse das auch festgehalten werden, inklusive der Summe, die dem, der ausziehe, zurückzuzahlen sei. Hier gilt: Was verbaut ist, gehört zum Haus, beispielsweise die Küche. Und alle diese Investitionen gehörten aufgelistet, die Liste immer aktuell gehalten, am besten mit Belegen. „Wir erleben immer wieder, dass eine Seite viel in eine Immobilie investiert, aber nicht im Grundbuch steht“, sagt der Notar. Und: Die Immobilie gehört grundsätzlich dem, der im Grundbuch steht.

Das sei wichtig – er erlebe immer wieder Scheidungen, „in denen sich die Partner nicht einmal an die gemeinsame Ehe an sich erinnern wollen, geschweige denn, wer wann was bezahlt hat“, meint Stefan Grünberger ironisch. Bester Zeitpunkt für den Ehevertrag: vor der Ehe. Die rosa Brille sollte dafür kurz abgelegt werden.

Jedem das Seine – und mir alles

In Österreich ist die Gütertrennung festgelegt, jedem gehört also, was er und sie in die Ehe eingebracht haben. Für den Scheidungsfall gibt es hingegen Sonderregelungen. Was jedoch zu wenige Menschen nutzen würden, sagt der Notar. „Viele glauben, Eheverträge seien Sache von besonders Vermögenden. Doch genauso wichtig ist ein Ehevertrag bei einem jungen Paar mit zwei kleinen Kindern, das sich gerade eine Wohnung gekauft hat“, ergänzt Grünberger. „In einer Beziehung auf Augenhöhe muss man auch über Geld reden“, sagt der Notar. Wovon er dringend abrät: dass Partner für die finanziellen und außerehelichen Belange des anderen haften.

Doch sollte die abschließende Frage nicht besser lauten: Wie lernen wir, richtig zu streiten, damit es gar nicht zum Rosenkrieg kommt? Der klinische Psychologe Harald Werneck findet die Frage durchaus berechtigt. So wurde in den 1990er-Jahren in Florida ein Unterrichtsfach zu Beziehungskompetenz eingeführt, weil man sich erhoffte, dadurch die Scheidungsquoten reduzieren zu können. Das könnte auch für Österreich beispielgebend sein, sagt Werneck. Wichtig ist dabei auch das „Modelllernen“: Nur wenn die Eltern also in der Lage sind, ihre Konflikte gut auszutragen, werden die Kinder lernen, dass ein Streit nicht Gewalt oder das Ende einer Beziehung bedeuten muss.

Die Rechtsanwältin Irmgard Neumann hingegen schwört auf Paarcoachings, auch privat. Gerade in funktionierenden Beziehungen müsse der Austausch, das Miteinander gepflegt sowie Dinge, die gesagt werden müssen, angesprochen werden. Nur so entsteht ein Verständnis füreinander. Demnächst heiratet sie ihren Partner, er ist ebenfalls Mediator.

Das kann nur gut gehen.