Quelle: Kleine Zeitung, Onlinebericht vom 30.März 2017 – www.kleinezeitung.at
800.000 Opfer im Netz der Betrüger: Zwei Deutsche fassen in Leoben saftige Haftstrafen für schweren Betrug und Betrugsversuch aus. Mehrere Geschädigte in Kärnten und der Steiermark. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Seit Jahren schlugen Wirtschafts- und Arbeiterkammer im Zusammenhang mit Onlinebranchendiensten Alarm. Man solle Formulare nicht ausgefüllt retournieren, weil daraus mehrjährige Verträge und Kosten entstünden. Nun setzte es am Landesgericht Leoben in einem derartigen Fall saftige Haftstrafen für zwei Deutsche (59 und 56 Jahre alt): fünf Jahre und acht Monate sowie vier Jahre und acht Monate. Das Delikt: schwerer Betrug und versuchter Betrug. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Gericht geht von 800.000 Opfern aus
Spektakulär sind die vom Gericht erhobenen Opferzahlen und die Schadenssumme: 800.000 Firmen, Organisationen und Ämter seien den Betrügern ins Netz gegangen. Die Schadenssumme für verübten und versuchten Betrug liege bei 1,23 Milliarden Euro.
Die Masche war einfach. Die zwei Deutschen gründeten – ab 2009 – Firmen in Spanien mit Gerichtsstand Madrid und schrieben 800.000 Unternehmen mit Antragsformularen an. Diese sollten sie ausgefüllt retournieren und monatlich 43 Euro netto berappen, um in ein Onlinebranchenverzeichnis aufgenommen zu werden. Die zweite Firma wollte ab 2012 offenbar als Trittbrettfahrer des weithin bekannten „Herold“ punkten. Sie nannte ihr Onlineangebot „Gelbes Branchenbuch“. Der Firmenname am Formular: „Herolds Medienverlag S.L.“. Mit dem echten Herold hatte das nichts zu tun.
329 Opfer im Verfahren bekannt
Der „Erfolg“ blieb nicht aus: Viele füllten das Formular aus, was bei monatlichen Kosten und einem Dreijahresvertrag einen Preis von 1548 Euro ausmacht. 329 Personen, Firmen und Ämter listet das Gericht als Opfer auf. Kurios: Darunter ist auch eine ganze Reihe von Polizeiinspektionen, die in das Branchenbuch aufgenommen werden wollten. Weiteren 799.671 unbekannten Personen österreichweit ist hier betrügerisch Geld abgeluchst worden, oder es blieb beim Versuch, führt das Gericht aus.
Die kostenpflichtigen Einträge waren wertlos
Was folgte: Die beiden Deutschen nahmen „Einschaltungen in den in Österreich kaum bekannten Onlinebranchenregistern“ vor, steht im Urteil: Die Einträge seien wertlos, weil auch bei aktiver Internetsuche unauffindbar, teils mit falschen Daten gespickt, teils gar nicht gemacht worden.
Stattdessen wurden die Kunden der Netzbetrüger mit Mahn- und Anwaltskosten konfrontiert. Ein Opfer musste gar in Madrid prozessieren. Die Verteidigung betonte, es habe sehr wohl eine Leistung gegeben, und hat Nichtigkeitsbeschwerden eingebracht.
Die Grazer Anwältin Irmgard Neumann warnt vor Betrugsmasche:
„Bei Postfach-Firmen müssen Alarmglocken schrillen“
Die Grazer Anwältin Irmgard Neumann, die für mehrere Geschädigte in Kärnten und der Steiermark als Privatbeteiligte am Verfahren Schadenersatz erkämpfen möchte, hofft auf eine Sensibilisierung vor dem Hintergrund dieses Betrugsfalls: „Solche Praktiken häufen sich. Man sollte genau hinsehen. Haben Firmen wie in diesem Fall nur ein Postfach in Österreich und den Gerichtsstand in Spanien, müssen wirklich schon alle Alarmglocken schrillen.“