„Stark sanierungsbedürftige Bruchbude aus den 70ern mit Grünfläche
– Kaufpreis: € 1 Million“
Sind auch Sie seit geraumer Zeit Stammgast auf Immobiliensuchmaschinen und nicht begeistert, auf derartige Inserate zu stoßen, wenn Sie in einigermaßen guter Gegend mit etwas Grund leben möchten?
Als Scheidungsanwältin bin ich regelmäßig mit Immobilienthemen befasst, zumal bei vielen Scheidungen und Trennungen auch ein Haus oder eine Wohnung aufzuteilen sind. Dies bedeutet gleichzeitig, dass zumindest ein Partner gezwungen ist, sich ein neues Eigenheim oder eine Mietwohnung zu suchen.
Im Alter zwischen 40 und 50 Jahren, in dem sich ScheidungsklientInnen oft befinden, ist kaum jemand glücklich, in eine kleine Mietwohnung zu ziehen, wenn sie/er zuvor ein wunderschönes Haus im Eigentum geschaffen hatte.
Aber welche Alternativen gibt es bei den momentanen Immobilienpreisen zzgl. Nebengebühren, wie bspw. Maklergebühren von 3 % zzgl. Umsatzsteuer, und extrem gestiegenen Kreditzinsen am Markt?
Ehrlich gesagt, ist hier guter Rat wohl kaum zu finden. Ich denke, man kann sich nur die Frage stellen, ob man das derzeitige Treiben am Immobilienmarkt (wenn man nicht unbedingt muss) mitspielt – denn wenn niemand mehr zu übertriebenen Preisen kauft, dann reguliert sich der Markt auch wieder von selbst. Und dass die Preise übertrieben sind, das glaube ich allemal. Vor Kurzem war ein Reihenhaus in Mariatrost, Nordhanglage, mit winzigem Garten um fast € 900.000,— ausgeschrieben. Ich recherchierte im Grundbuch und fand heraus, dass die Käufer das Objekt erst vor wenigen Jahren selbst um weniger als die Hälfte erworben hatten. Es kann mir niemand sagen, dass so eine Liegenschaft in wenigen Jahren tatsächlich objektiv nun mehr als das Doppelte wert sein soll. Und erlauben Sie mir es auszusprechen – eine gewisse Gier auf Verkäuferseite ist wohl zusätzlich eingetreten. Dies ist teilweise sogar verständlich, da auch diese allenfalls ebenso teuer neu kaufen (müssen) bzw natürlich auch die Baukosten erheblich gestiegen sind.
Nichtsdestotrotz verdient wohl kaum einer unter uns plötzlich mehr als das Doppelte als vor wenigen Jahren – wie also mehr als das Doppelte für eine Immobilie bezahlen, noch dazu wenn man nach einer Scheidung / Trennung noch Unterhaltspflichten zu erfüllen hat und/oder den oder die Ex-PartnerIn nicht in den Verkauf der Ehewohnung zwingen möchte, damit die Kinder in ihrem gewohnten Zuhause bleiben können?
Was zumindest Hoffnung gibt: soweit ich den Markt beobachtet habe, wurden insbesondere überteuerte Immobilien seit einem Jahr oder länger nicht verkauft und befinden sich nun als „Ladenhüter“ auf diversen Plattformen. Es macht also vielleicht Sinn, auch eine teurere Immobilie anzufragen und „seinen Preis“ für Immobilie und Makler zu nennen, denn meine Erfahrung hat zumindest gezeigt, dass zum Teil durchaus nicht unbeträchtlicher Verhandlungsspielraum (wenngleich nach meinem Empfinden immer noch etwas zu wenig) besteht.
RA Mag. Imgard Neumann